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„Die Digitalisierung stellt Banken vor eine existentielle Frage“

Die Digitalisierung stellt Banken vor eine existentielle Frage

Interview Teil 1 erschienen am 28.06.2019 bei Economy.at

Mit der neuen PSD2-Richtlinie der EU müssen Finanzdienstleister nun Drittanbietern den Zugang zu ihren Kunden ermöglichen. Economy sprach mit Oliver Dlugosch, CEO von ndgit über Open-Banking als Herausforderung für altehrwürdige Finanzinstitutionen und den kommenden 14. September als finalen Starttermin der PSD2-Regularien.

ndgit steht für Next Digital Banking. Was kann man sich darunter genau vorstellen?

Banken weltweit befinden sich bereits mitten in der digitalen Transformation, die Prozesse für Kunden deutlich komfortabler gestaltet. Um mit den Branchenentwicklungen mithalten zu können und den Finanzmarkt nicht vollends an FinTechs zu verlieren, müssen sich Banken und auch Versicherungen neu aufstellen. Speziell dafür hat ndgit eine Plattform entwickelt, die als technologisches Rückgrat für vernetztes Banking und Versichern den Finanzmarkt digitalisiert: Next Digital Banking eben.

Wie läuft das in der Praxis?

Mit unserer Middleware können unsere Kunden neue Anwendungsfälle in kürzerer Zeit und mit größerer Nutzeroptimierung umzusetzen – von Banking- oder Insurance-as-a-Service, über die Anbindung von FinTechs bis zum Aufbau von eigenen „App-Stores“ für ihre Kunden. Mit uns erhalten sie die nötige Infrastruktur, um eigene und Fremd-APIs (Anm. Applikation Programm Interface) effizient einzubinden und zu managen. Dabei sehen wir Banken und Versicherungen in der Regel als Kunden und FinTechs oder andere digitale Unternehmen als Partner und damit Zulieferer der hochgradig optimierten und meist spezialisierten APIs.

Was müssen Finanzdienstleister tun, um auch zukünftig wettbewerbsfähig zu sein?

PSD2 ist ein wichtiger Katalysator für europäische Banken, um sich auf die Zukunft mit vernetztem Banking vorzubereiten. Die digitale Transformation stellt Banken vor die existenzielle Frage, wie ihr zukunftsträchtiges Geschäftsmodell aussehen soll. Dass diese Veränderungen radikal sein können, haben wir zuvor im Handel oder auch der Medienbranche beobachtet.

Wie definieren Sie in diesem Kontext Digitalisierung?

Aus unserer Sicht bedeutet Digitalisierung vor allem Vernetzung. Die Bank sollte zukünftig überall dort präsent sein, wo das digitale Geschäft stattfindet. Als digitale Kundenbank sollte sie der Anlaufpunkt für alle Arten von Finanz-Services bzw. -Bedürfnisse sein, auch über das eigene klassische Finanzprodukt hinaus. Damit ergeben sich zwei wesentliche Optionen: Starker Produkt- und Serviceanbieter für digitale Partner an der Kundenschnittstelle oder Navigator in einem Ecosystem von Finanz-Services.

Wo liegen hier die größten Herausforderungen für Banken?

Die digitale Transformation hat viele Facetten von der Kultur bis hin zu den geeigneten Zukunftstechnologien. Durch eine ganze Reihe von Gründen, fällt es Banken deutlich schwerer als z.B. kleinen agilen FinTechs, digital zu werden und sich für Open Banking zu öffnen. Wir unterstützen Banken dabei, die Use Cases zu implementieren mit denen sie auf die Innovationen von FinTechs zugreifen und echte Mehrwerte für ihre Kunden schaffen. Ein paar Beispiele für unsere PSD2 Expertise waren bereits in der Presse wie die Zusammenarbeit mit der BNI in Portugal, der UBS in der Schweiz oder der BAWAG in Österreich.

Wie kann man sich die IT-Architektur einer größeren Bank vorstellen und welche grundsätzlichen Kriterien gilt es hier zu beachten?

Für Banken zählen ihre tradierten Bestandssysteme, so genannte „Legacysysteme“ sowie eine Landschaft von Monolithen sicher zu den größten Bremsern für die schnelle Entwicklung von neuen, digitalen Prozessen. API-Technologien und Micro-Service Architekturen fördern durch die Verknüpfung mit Partnern die Innovationskraft von Banken massiv. Mit unserer Plattform binden Banken und Versicherungen unterschiedlichste Drittpartner einfach an die gesicherte Infrastruktur an und lassen sie auf die standardisierten Schnittstellen zugreifen. Unsere zertifizierten Gateways sorgen dabei mittels Zugriffs- und Rollenmanagement für die höchste Sicherheitsstufe gemäß Bankenstandards.

Stichwort Daten und Sicherheit. Welche Herausforderungen gilt es hier zu beachten und welche Rolle spielt dabei die DSGVO?

Sowohl die DSGVO als auch die PSD2 stärken massiv den Nutzer, da sie die erhobenen Daten nicht mehr als Eigentum der Bank, sondern des Nutzers ansehen. Das ist ein Paradigmenwechsel, der nicht bei allen Beteiligten auf Euphorie stößt, da sie einen langjährigen Wettbewerbsvorteil zunichtemachen. Euphorie hin oder her, Pflicht ist Pflicht und so stellen die europäischen Banken ihre Prozesse um. Bis 14. September dieses Jahres muss, nach erfolgreicher Strong Customer Authentication (SCA) und Autorisierung durch den Kunden, Drittanbietern Zugriff auf Kontodaten des Kunden gewährt und Zahlungsauslösungen gestattet werden.

Können Sie Beispiele für diese Anwendungen nennen?

Unsere API-Plattform ermöglicht den flexiblen Zugriff auf Innovationen von FinTechs, wie beispielsweise Kontoaggregation, Finanzmanagement oder automatisierte Empfehlungen. Innovative FinTech-Services wie Datenanreicherung und -interpretation, Neu-Deutsch „Data Insights“, heben die Personalisierung ohne Mehraufwand auf Seite der Bank auf die nächste Evolutionsstufe. Wussten Banken bislang zwar wann, wo, wie und wieviel ihre Kunden bezahlt haben, fügen innovative APIs nun die Dimensionen wofür und auch das warum hinzu. Auf dieser Basis kann Nutzerverhalten vorausberechnet und eine sehr viel passgenauere Empfehlung ausgesprochen werden.

In welche Richtung?

Mit unserer Plattform können Banken noch einen Schritt weiter gehen und Ecosysteme für ihre Kunden entwickeln. Der Kunde startet dann aus einem zentralen Cockpit der Bank heraus die gewünschten Services an. Er wählt dann aus dem für ihn geeigneten Spektrum an Partneranwendungen, etwa eine ETF-basierte Vermögensverwaltung oder einen Robo-Advisor aus und nutzt den Service ohne erneute Authentication.

Kritisches Thema Schnittstellen für eine etwaig aufwändige Integration neuer Software (SW) oder Applikationen. Was antworten Sie einem dahingehend ängstlichen CTO einer großen Bank mit vielen unterschiedlichen IT-Systemen und SW-Applikationen?

Dass unsere Technologie für die verschiedensten Bankensysteme funktioniert, demonstriert unser internationaler Kundenkreis unserer Meinung nach sehr eindrucksvoll. Sie ist gleichermaßen für große wie kleine Institute und auch für verschiedene Innovationsgrade geeignet. API-Plattformen, wie die von ndgit sind nicht umsonst derzeit die gängigste Option für Systemarchitekten von Banken, um mehr Flexibilität in die IT-Systeme zu bringen. Mit ihr kann eine breite Palette von manchmal über Tausend kleiner und hochspezialisierter Services für die Nutzung von vielen Entwicklern gleichzeitig bereitgestellt und so effizient in ihre Infrastruktur eingebunden werden. Mit Plattformen, wie der unseren, entkoppeln sich Banken von den Grenzen ihrer Backend-Systeme und öffnen sich für Partnerschaften mit Dritten.

Interview Teil 2 erschienen am 01.07.2019 bei Economy.at:

ndgit steht für Next Digital Banking und für Open-Banking-Plattformen zur Umsetzung der neuen PSD2-Richtlinie der EU. Oliver Dlugosch, CEO von ndgit im zweiten Teil des Gesprächs mit economy über wegbereitende Projekte mit internationalen Banken, prägende Gründererfahrungen und kritische Erfolgsfaktoren für rasches internationales Wachstum.

Bankkunden erwarten neue und zunehmend personalisierte Services, Unternehmen erwarten neue digitale Ökosysteme und ebenso individuelle Serviceleistungen und jetzt noch die PSD2-Regularien. Jedes einzelne dieser drei Themen ist eine Herausforderung. Wie kann dann die rasche Umsetzung aller drei Bereiche zusammen passieren?

Aus unserer Sicht ist es keineswegs eine Bürde, alle drei gemeinsam umsetzen zu müssen. Im Gegenteil, wir sehen sie so eng mit einander verwoben, dass eine Umsetzung nur gemeinsam Sinn macht. Die PSD2 ist für viele Banken der regulatorisch verpflichtende Einstieg ins API-Banking (Anm. Applikation Programm Interface) bzw. den Ecosystem-Gedanken. Dabei kommen wir wieder auf die Notwendigkeit einer flexiblen API-Middleware wie die von ndgit zurück. Mit ihr können Entwickler in kurzen Zyklen auf die Anforderungen ihrer Kunden reagieren und neue Anwendungen schneller entwickeln oder Fremdanwendungen einbinden.

ndgit hat 2017 mit der Hypothekarbank Lenzburg das erste Open Banking-Portal der Schweiz umgesetzt, dann etwa auch die UBS als Kunden gewonnen sowie weitere Banken etwa in Deutschland und Österreich. Können Sie uns am Beispiel Lenzburg die wichtigsten Kriterien für eine erfolgreiche Umsetzung erläutern?

Das Projekt mit der Hypothekarbank Lenzburg war von Anfang an durch eine starke Vision seitens ihres CEO Marianne Wildi getrieben. Sie hat Open Banking als klares Zukunftsbild für ihre Bank ausgewiesen. Mit dieser Perspektive wurde die ndgit-Plattform als Grundlage für die zukünftigen Use Cases an die Systeme angebunden. Damit konnte die Bank Out-of-the-box APIs von ndgit nutzen aber auch eigene APIs entwickeln und sicher für Dritte bereitstellen. Gemeinsam schufen wir so als erster in der Schweiz die Grundlage für ein Banking-as-a-Service Offering. Dafür mussten unsere Konto- und Payment-APIs an die Schweizer Besonderheiten angepasst werden. Erste Nutznießer waren FinTechs wie Neon, die einen einfachen Zugriff auf Whitelable Konten der Bank erhielten. Die neuen Schnittstellen ermöglichten außerdem noch einen weiteren Usecase: FinTechs wie Sonect, können jetzt auf die Kunden der HBL zugreifen und ihnen ihren Service, Bargeldabhebung über mobile Endgeräte, anbieten.

Aktuell hat ndgit nun auch in Österreich die BAWAG-Gruppe als Kunden gewonnen. Was war seitens der BAWAG gefragt und wie ist der aktuelle Projekt-Stand?

Nach unseren renommierten Kunden in Deutschland und der Schweiz, wie UBS, Credit Suisse oder Volkswagen Financial Services, freuen wir uns sehr, dass die kundenstarke BAWAG auf die Technologie von ndgit setzt. Hier konnten wir innerhalb weniger Wochen unsere Plattform anbinden und mit ihr PSD2 Services und Funktionen der Bank bereitstellen – angefangen mit einem Developer-Portal für TPPs (Anm. Third Party Provider) in denen man die neuen Services der Bank findet. Jeder Drittanbieter wird bei seiner Anfrage an die Bank auf die notwendigen Zertifikate überprüft und erhält bei positivem Ergebnis die Freigabe, die entsprechenden Konto- oder Zahlungsdienste durchzuführen. Hierbei werden alle Transaktionen protokolliert und die Metriken für das verpflichtende Reporting an die Aufsichtsbehörden aufbereitet sowie zur eigenen Ansicht bereitgestellt.

ndgit wurde 2016 von Ihnen und Florian Pahl in München (D) gegründet. Was war die Initialzündung für die Gründung und was waren die prägendsten unternehmerischen Erfahrungen in dieser Gründungszeit?

Wir haben uns mit unserem Unternehmen von Anfang an mit der Technologie für Connected Banking beschäftigt. Aus unserer Vergangenheit in anderen Firmen wussten wir, dass eine API-basierte Middleware der Schlüssel für die zukünftige Banktechnologie sein wird und sich die Zeiten der Monolithen endgültig dem Ende zuneigt. Besonders erfreut hat uns, dass Innovatoren wie Mobile.de oder die Hypothekarbank Lenzburg 2017 auf den Zug aufsprangen obwohl noch nicht klar war, was die Entwicklungen rund um Open Banking für ihr Unternehmen bedeuten würden. Im letzten Jahr konnten wir dann bereits über zwanzig neue Banken für unsere Technologie gewinnen. 2019 sind Ecosysteme und die smarte Umsetzung mit der ndgit Plattform in aller Munde.

Ihr Unternehmen ist in kurzer Zeit auch international sehr rasch gewachsen mit Standorten nun etwa auch in London, Zürich oder Warschau, dazu soll Paris und Madrid folgen. Was sind aus unternehmerischer Sicht kritische Erfolgsfaktoren in so einer Wachstumsphase?

Strukturell sind wir durch unsere agile Arbeitsweise sehr gut und vor allem flexibel aufgestellt. Uns fällt es daher nicht schwer, uns an neue Anforderungen anzupassen. Da Open Banking eine weltweite Bewegung ist, findet im Moment weltweit ein Run auf dieselben Talente statt. Daher geht es uns wie anderen erfolgreichen Unternehmen auch: wir müssen unser Wachstum künstlich verlangsamen, um genügend Zeit für die Mitarbeiter-Akquise zu haben. Auch deshalb sind wir froh und stolz, bereits so viele API- und Banking-Experten (Anm. aktuell 60) für uns gewonnen zu haben.

ndgit wird von einer prominenten internationalen Investorengruppe rund um DvH-Ventures (D), Capnamic (D) oder Profunders (UK) finanziert. Was sind Ihre Pläne für die Zukunft und ist hier etwaig auch an einen Börsengang gedacht?

Wir gehören aktuell zu den am schnellsten wachsenden B2B-FinTechs in Europa und wollen mit Unterstützung von externen Investoren weiterwachsen. Dabei wollen wir uns von heute 60 auf 300 Mitarbeiter entwickeln und unsere Produkte für Open Banking weiter ausbauen. Wie Sie richtig sagen, sind wir ja heute schon an mehreren Standorten aktiv und machen den größeren Teil unseres Umsatzes bereits international. In Zukunft wollen wir weitere Fokusmärkte in Europa eröffnen und auch Richtung USA und Asien expandieren. Ob wir am Ende an die Börse gehen? Wir werden es sehen.

Sie selbst haben Wirtschaft studiert und dann primär im Bereich Beratung und Finanztechnologie gearbeitet. Was war dann die Initialzündung für Ihren Weg in Richtung Finanz-Startup?

Für mich standen bereits bei meiner Tätigkeit als Vorstand der Ray Sono bei der Entwicklung von Bankanwendungen der digitale Kundenprozess und die Mehrwerte für den Kunden im Vordergrund. Mit Crealogix in Deutschland habe ich den Standort für ein großes FinTech geleitet bei dem mit traditioneller Technologie Innovationen wie Personal Finance Management oder Robo Advisory für innovative Banken eingeführt wurde. Als dann erkennbar wurde, dass moderne API-Technologien das neue Paradigma werden, stand für mich fest: Es muss ein neues Unternehmen her, dass auf der grünen Wiese aufsetzen kann. Das sahen wir als zwingend notwendig, um Banken eine derartige Modernisierung von Bankarchitekturen mit schneller Time-to-Market und echten Innovationen ermöglichen zu können.


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