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PSD2 Perspektiven – Ein anderer Blickwinkel auf die PSD2

PSD2 Perspektiven

Paradigmenwechsel bei Banken: Vom defensiven zum produktiven Freiheitsbegriff

Die im Jahr 2018 in Kraft getretene neue europäische Zahlungsdiensterichtlinie PSD II gleicht einem Zündfunken zur Transformation der gesamten Bankenbranche. Der Funke mag noch klein sein, aber: Er bewirkt schon heute weitreichende Veränderungen in der Anlagepolitik und -strategie, wie Oliver Dlugosch, CEO ndgit, erläutert.

Laut dem IT-Beratungs- und Marktforschungsunternehmen Gartner werden im Lauf des Jahres die Hälfte der G20-Länder die Voraussetzungen für Open Banking einführen. PSD II ist hier Vorbote einer Trendwende, und Banken versuchen zunehmend, einen neuen Blickwinkel einzunehmen, mit einem stärkeren Augenmerk auf Chancen statt auf Hindernisse. Die Präferenzen bewegen sich ganz klar in Richtung API- und Standardisierungsinitiativen – zum einen um Kosten zu senken, zum anderen um die Kundenzufriedenheit und den eigenen wirtschaftlichen Erfolg zu steigern.

In den nächsten zwei oder drei Jahren werden wir sehen, wie Banken sich in Bezug auf PSD II bewegen, wie sie starres Vorschriftendenken und Marktprotektionismus überwinden werden hin zu mehr Agilität, Flexibilität und Handlungsweisen, die es ihnen erlauben, nicht nur bestehende Möglichkeiten zu erkennen und Chancen zu ergreifen, sondern sie selbst zu gestalten.

Natürlich liegt noch viel Arbeit vor allen Beteiligten. Bislang sehen sich beispielsweise nur 25 Prozent der in einer Deloitte-Studie befragten Institutionen (überwiegend Banken) strategisch gut vorbereitet auf die bestehenden Herausforderungen. Die meisten Institute sehen die PSD II zwar als einen mittel-, vielleicht auch längerfristigen Trend an, sie investieren allerdings eher reaktiv und erfüllen lediglich die aktuellen Mindestanforderungen, statt ganz vorne mitzuhalten.

Bei ndgit glauben wir fest daran, dass sich das radikal ändern wird – spätestens, sobald die verschiedenen nationalen Regulierungsbehörden die Lizenzprozesse mit Drittanbietern abgeschlossen haben und API-Standards in Kraft treten. Banken können schon heute all die Möglichkeiten erkennen, die sich durch Open Banking ergeben. Sie könnten sehen, wie sie eine Wende weg von bloßen Transaktionsvorgängen hin zu Inspirationserlebnissen schaffen können und so auch ihre eigene Bedeutung als digitale Entrepreneure für die Zukunft sichern können.

Die Wege, die PSD II vorzeichnet: Es ist Zeit, sie zu beschreiten

Warum also diese Verzögerung, was hält die Kreditinstitute zurück? Die Antwort ist ganz einfach: Die PSD II macht vielen Banken Angst. Sowohl strategisch als auch operativ kommt die neue Richtlinie einer tektonischen Verschiebung gleich, die die gesamte Bankenlandschaft massiv verändern wird. Für ihren traditionell eher schwerfälligen Umgang mit Erneuerung und das Zurückschrecken vor Risiken wird es in dieser Landschaft keinen Platz mehr geben. Eines der Ziele von PSD II ist es, eine bargeldlose Gesellschaft zu schaffen, indem Friktionen abgebaut und Wettbewerb sowie Wahlfreiheit im elektronischen Zahlungsverkehr gestärkt werden. Das gelingt, indem geprüfte und kontrollierte Drittanbieter (TPP) Konten verwalten und im Auftrag des Kunden Zahlungen anweisen dürfen. Das fordert auf der anderen Seite die Banken dazu heraus, ihr Dienstleistungsspektrum innovativer und kundengerechter zu gestalten. Die PSD II bereitet aber ebenso den Weg für peer-to-peer Transaktionen, die es kommerziellen Akteuren möglich machen, Zahlungen zu akzeptieren sowie finanzielle Dienstleistungen direkt an Kunden zu liefern, ohne dass dabei Kartengebühren oder vergleichbare Kosten entstehen.

All diese Services setzen natürlich natürlich voraus, dass Banken ihre Payment-Infrastrukturen und Kundendaten gegenüber autorisierten Dritten öffnen. Dagegen sträuben sich viele aufgrund der Sorge, dass diese Dritten nach dem Vorbild von Google, Apple und Facebook und Amazon (GAFA) ihre Datenbestände in Beschlag nehmen und benutzen werden, um direkt und massenweise eigene accountbasierte Payment-Lösungen auf dem ganzen Kontinent zu verkaufen.

Das Ganze führt bei Banken zu zwei verschiedenen Mindsets: Es gibt diejenigen, die zufrieden damit sind, Vermittler hinter den Kulissen zu werden und die direkte Beziehung mit dem Kunden anderen zu überlassen. Und es gibt jene, die sämtliche verfügbare Open Banking and API Werkzeuge nutzen wollen, die neue, kundenorientierte Angebote vorantreiben, die ihre bestehenden Dienstleistungen sinnvoll ergänzen wollen und damit neue Ertragsquellen erschließen. Diese Erlösquellen wiederum werden neue Innovationen und weiteres wirtschaftliches Wachstum ermöglichen. Das bringt mit sich, dass diese Banken ihrerseits zu autorisierten Dritten werden, um ihren Kundenstamm zu sichern und um sich neu zu positionieren als relevante Größe für den digitalen Konsumenten.

Die offene Revolution: Wer nicht mitmacht, wird verschwinden

Banken haben gegenüber TTP bislang noch einen massiven Vertrauensvorsprung, wenn es um vertrauensintensive Transaktionsdienstleistungen geht, besonders in stark regulierten Marktumgebungen. TTP sehen sich an gleicher Stelle mit vielen Herausforderungen konfrontiert, bevor sie eine kritische Masse an Kunden gewinnen können und ihr Geschäftsmodell überhaupt tragfähig wird.

Eine Studie der Strategieberatung Deloitte zeigt an, dass etwa die Hälfte aller teilnehmenden Banken plant, „Payment Initiation Service Provider (PISP)“ oder „Account Information Service Provider (AISP)“ zu werden. Zudem beabsichtigen ebenso etwa 50 Prozent die Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen, wobei ein Drittel „Premium“-APIs oder zusätzliche nicht payment-bezogene Dienstleistungen durch APIs etablieren will. Und: Mehr als 30 Prozent geben an, interessiert zu sein an Partnerschaften mit Fintechs und ähnlichen Akteuren.
Wenn sie diese neuen kommerziellen Ekosysteme stärken und zulassen, können Banken nicht nur Dienstleistungen rund um Zahlungsinitiierung anbieten, sie können auch gewaltige, in den Transaktionsvorgängen liegende Datenschätze heben, die es ihnen erlauben, ihre Dienstleistungen kundengerechter zu gestalten und zusätzliche Mehrwertdienstleistungen zu schaffen.

Vernetzung im Ekosystem: APIs sind der Schlüssel

Klar ist aber auch: Bevor Banken neue Digitalisierungsstrategien umsetzen können, werden sie erstmal investieren müssen: Etwa in Microservice Layer, um neue digitale Plattformen aufeinander abzustimmen, um sich in moderne Benutzeroberflächen integrieren zu können, und um innerhalb eines stärker vernetzten Ekosystems weiterhin Sicherheit gewährleisten zu können.

ndgit hilft schon heute europäischen Banken und Drittanbietern, Finanzdienstleistungen auf den Markt zu bringen, die “Empowerment” für die Kunden bedeuten. Sie nutzen unsere Technologie, um nutzerzentrierte Anwendungen via APIs in Banking-Portale zu integrieren, und eröffnen damit ihren hauseigenen Teams und ihren Geschäftskunden die Möglichkeit, Kundenschnittstellen und Services anzubieten, während die Bank das Handling im Hintergrund übernimmt.

Wir wissen aus erster Hand, dass Banken auf der Suche nach ausgereiften, gut geprüften und vorgebauten API-Plattformen sind, die sichere Verbindungen zu AISP- und PISP-Partnern und Drittanbietern gewährleisten und darüber hinaus ein automatisiertes Reporting bieten, das hilft, die Abläufe zu optimieren sowie Ressourcen und die Servicebereitstellung effizient zu managen. Wichtig ist ihnen bei einer Software also nicht nur, dass sie die PSD II-Implementierung nach lokalen Standards unterstützt, sondern auch die Markteinführung erleichtern und beschleunigen kann.

Die wichtigsten Entwicklungen ab 2019

Die Zeiten sind herausfordernd: Zum jetzigen Zeitpunkt kann noch keiner von uns sagen, wie das zukünftige Ekosystem – nach PSD II – aussehen wird. Neben der Regulierung durch PSD2 kommen ja auch die veränderten Erwartungen der digitalen Generation an Bankgeschäfte hinzu. Damit brechen für Banken alte Wertschöpfungsketten auf, neue Netzwerke entstehen und digitale Innovationen werden das Banking revolutionieren. Das führt dazu, dass Banken innovationsgetrieben agieren müssen, neue Allianzen schließen werden sowie smarte Technologien einführen, um als Plattformen und Netzwerke zu agieren. Angesichts dieser Unwägbarkeiten müssen sich Banken ihre Optionen offen halten und flexibel sein, immer bereit, auf Chancen ebenso wie auf Gefahren zu reagieren. Es zeichnen sich zusammenfassend ganz klar die folgenden Trends als Schlüsselelemente für 2019 ab:

  • Banken müssen echte Mehrwerte für den Kunden schaffen
    Banken müssen sich bewegen und vorangehen, denn sie stehen im Wettbewerb mit GAFA, Fintechs, Vergleichsplattformen und Marktplätzen. Kunden erwarten attraktive digitale Frontend-Anwendungen, das bedeutet Banken müssen künftig in der Lage sein, Finanzdienstleistungsportale mit einer offenen Architektur und standardisierten Prozessen zu bieten. Mit einem “API-Marktplatz” beispielsweise lassen sich so auf Bankenseite 5 bis 10 neue Features pro Jahr launchen. Geschwindigkeit, Innovation und Benutzerfreundlichkeit sind die Erfolgsfaktoren für die künftige Kundenbindung.
  • Banken müssen sich auf die Disruption vorbereiten
    Kunden kaufen Bankprodukte nicht mehr automatisch bei ihrer Hausbank, sondern dort, wo sie die besten, günstigsten und smartesten Produkte – und ganz entscheidend – im richtigen persönlichen Kontext bekommen. Disruption hat schon viele Branchen betroffen. Speziell für das Banking bedeutet Disruption – neben der technischen Entwicklung – vor allem die Entkoppelung des Produktanbieters von seinen Kunden. Darauf müssen sich die Banken einstellen: Digitales Banking 2019 findet dort statt, wo es der Kunde gerade benötigt.
  • Banken sollten mit Fintechs kooperieren
    Kooperationen spielen im Banken-Ekosystem bereits eine größere Rolle als in der Vergangenheit, denn die meisten Innovationen bei Produkten und Services kommen von neuen Anbietern, insbesondere Fintechs. Den jungen Unternehmen kommt zugute, dass sie Produkte schneller, mutiger und aggressiver in den Markt bringen können. Banken wiederum sind ein Hort der Stabilität, aber eben auch komplexe Organisationen mit einer häufig risikoaversen Unternehmenskultur. Gemeinsam können Banken und Fintechs ihre Stärken zusammenlegen und Ökosystem bauen, in denen Banken die innovativen Services von Fintechs integrieren.
  • Plattformen werden der Megatrend
    PSD2 wird für mehr Auswahlmöglichkeiten und für eine größere Vernetzung sorgen, denn Kunden werden künftig über verschiedene Frontends auf Konten zugreifen. Banken haben die Wahl, diesen Zugriff passiv zuzulassen oder ihn aktiv mitgestalten. Banken, die PSD2 mit Weitblick umzusetzen, müssen versuchen es möglichst gut zu machen. Das Herz der PSD2 sind “Offenheit” und “Zusammenarbeit”: Banken vernetzen sich neu – untereinander, aber auch mit Fintechs. Die technische Lösung dafür sind Plattformen, die einfach und trotz Legacy-IT der Banken zu implementieren sind.
  • Banken wird es auch künftig geben
    Kein Zweifel: Banken haben auch in der “neuen Welt” ihre Daseinsberechtigung. Nur Banken können Kunden universell mit den besten Produkten versorgen, sie genießen eine hohe Reputation bei Kunden und verfügen über einen (noch) loyalen und großen Kundenstamm. Hinzu kommt, dass Banken mit Abstand über die besten Investitions-Ressourcen verfügen und diese auch entsprechend einsetzen werden. Die Fragen, die sich Banken in einem hochkompetetiven Umfeld mit neuen Playern stellen müssen, lauten: Wo bleiben wir Kundenbank, wo werden wir zur “Produktbank”, mit wem gehen wir eine Partnerschaft ein und welche Plattform-Technologie nutzen wir.

Oliver Dlugosch, CEO der ndgit GmbH


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